Keilschrifttexte

Bei den Feldforschungen, die Walter Andrae an der Ruinenstätte von Assur, dem heutigen Qal’at Šerqāṭ, während der Jahre 1903–1914 kontinuierlich durchführte, wurden in Hortfunden oder vereinzelt insgesamt etwa 11000 mit Keilschrifttexten beschriebene Tafeln und Tafelfragmente geborgen, die zumeist aus ungebranntem Ton bestehen. Mehr als 5000 Objekte anderer Art, die Keilschriftinschriften tragen, kommen hinzu. Die Zahlen erhöhen sich um die Text- und Inschriftenfunde der jüngeren Grabungskampagnen. Zusammen mit den Keilschrifttextfunden aus Uruk, Babylon, Kalchu, Ugarit, Hattuscha und Nuzi gehört derjenige aus Assur zu den umfangreichsten und reichhaltigsten.

Die fragmentarisch erhaltenen Tontafeln überwiegen die unbeschädigten zahlenmäßig bei weitem. Meist ist der Zustand der Oberflächen jedoch so gut, dass sich nicht nur Schriftzeichen und Wörter entziffern lassen, sondern Passagen und ganze Texte lesbar sind. Die Sprachen, in denen diese Texte abgefasst sind, sind das Sumerische und das Akkadische, dessen Hauptdialekte das Babylonische und das Assyrische sind. Ihre wissenschaftliche Bearbeitung führt nicht zuletzt dazu, dass zusammengehörige Fragmente erkannt und Schriftstücke durch solche sogenannte Joins vervollständigt werden.

Von ca. 2350 bis 614 v. Chr. spannt sich der Zeitraum, in dem die in Assur zutage geförderten Keilschrifttexte niedergeschrieben wurden, und somit von der altakkadischen bis zum Ende der neuassyrischen Zeit. Über ein mehr als 17 Jahrhunderte währendes Kontinuum hinweg legt dieser Keilschrifttextbestand von der Schreibkultur des Alten Orients Zeugnis ab. Die chronologische Einordnung der Schriftstücke beruht auf direkten oder indirekten Zeitangaben, die manche Texte enthalten, auf deren Sprachstand sowie auf archäologischen Datierungskriterien, die z. B. der Fundkontext und der Schriftduktus bzw. die Zeichenformen liefern können. Der baulich-räumliche Zusammenhang, dem die Schriftstücke ursprünglich angehörten, lässt sich je nach Fundsituation gar nicht oder nur vermutungsweise oder aber sehr genau bestimmen. Während eine solche Herkunftsbestimmung nur für manche der Streu- und Oberflächenfunde möglich ist, geben die in situ-Funde in der Regel über die Identität der staatlichen Einrichtungen und privaten Haushalte, in denen die Schriftstücke genutzt und aufbewahrt wurden und oftmals auch geschrieben worden sind, recht genaue Auskunft. Die Niederschrift erfolgte zumeist durch professionelle Schreiber und Gelehrte, die sich nicht selten selbst mit Namen nennen. Daneben finden sich auch zahlreiche Schriftstücke von Schülern, für die das Schreiben von Texten Lernmethode und Wissensnachweis zugleich war.

Groß ist auch die Vielfalt der Formen und Formate der Tontafeln aus Assur, die meist rechteckig waren, seltener auch andere Formen besitzen konnten. Die Größe der beschrifteten Flächen variiert von wenigen Zentimetern bis zu über 30×30 cm. Umfang und Formatierung der Texte, die auf eine oder beide Tafelflächen geschrieben waren, weisen ebenfalls große Unterschiede auf. Das Spektrum reicht von wenigen ‚formlos‘ aufgeschriebenen Zeichen und Wörtern auf einem einzelnen kleinen Täfelchen bis zum langen, eng geschriebenen Text, der in zahlreichen Zeilen und mehreren Kolumnen nicht nur Vorder- und Rückseite einer Tafel, sondern eine ganze Reihe zusammengehöriger und durchnummerierter Tafeln füllt.

Bei den Schriftstücken handelt es sich um Briefe und Verwaltungsdokumente, – darunter Verträge für den Warenhandel und den Geldverkehr sowie Urkunden über Eheschließungen, Erbschaften und Adoptionen –, um Gesetzestexte und andere Vorschriften und Regelungen, um Auflistungen von Tributen und Opfergaben, um Berichte und Erlasse der Könige, um Segenssprüche und Verfluchungen, um Erzähltexte aller Art, um Lied- und Gebetstexte, um Schulübungen und um eine große Vielfalt an ‚wissenschaftlichen‘ Fachschriften. Sie dienten der Dokumentation und Kommunikation, der Aneignung, Vermittlung und Bewahrung von Wissensgegenständen sowie der Gewährung von Schutz. Sie konnten dazu bestimmt sein, gelesen oder zur Kenntnis genommen zu werden, Zeugnis abzulegen oder magische Wirkkräfte zu entfalten.

Die altorientalischen Keilschrifttexte lassen sich in zwei große, allerdings nicht scharf voneinander trennbare Gruppen einteilen. Die Schriftstücke administrativer Art, die in erster Linie der Dokumentation und Kommunikation dienten, nehmen in der Regel auf Situationen und Geschehensabläufe des alltäglichen Lebens oder auf Handlungen bestimmter Personen Bezug. Situationsbezogenheit und Einmaligkeit können als die besonderen Kennzeichen dieser Texte gelten. Dieser Schriftstückgruppe sind vor allem die Urkunden und Briefe zuzurechnen.

Preislied auf einen assyrischen König

Die Schriftstücke nicht-administrativer Art, die vorrangig der Information, der historischen Erinnerung, dem Erwerb, der Bewahrung und Vermittlung von Wissen sowie der Abwehr von Übel aller Art dienten, zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass ihre Stoffe Gegenstand von Überlieferungsprozessen sein und von ihren Texten ältere und jüngere Duplikate und Varianten existieren konnten. Hierzu zählen vor allem die Schriften und Inschriften mit historischem, mythologischem, musischem, religiösem und fachwissenschaftlichem Inhalt. Die Texte dieser Schriftstückgruppe werden als ‚literarisch‘ bezeichnet. Aus Assur sind bislang etwa 4500 Tontafeln und Tontafelfragmente bekannt, auf denen Texte literarischen Inhalts überliefert sind.

Keilschrifttexte hatten in Assur, ebenso wie anderswo im Alten Orient, in öffentlichen und privaten, sakralen und profanen Räumen an verschiedenen Orten ihren Platz. Dort erfüllten sie entweder einzeln oder aber zusammen mit anderen Schriftstücken ihre jeweiligen Funktionen. Meist bestand zwischen ihnen und den Orten, an denen sie aufbewahrt oder angebracht waren, ein enger Funktions- und Bedeutungsbezug. Die Aufbewahrungsorte und Anbringungsplätze konnten so beschaffen sein, dass die Keilschrifttexte an ihnen sichtbar, lesbar und zugänglich waren, sie konnten aber auch versteckt und unzugänglich sein. Zu diesen verborgenen Orten zählen die Fundamentgräben von Gebäuden. Die in ihnen deponierten Schriftstücke sollten in späteren Zeiten als ‚archäologische Funde‘ von den Bauwerken und den Bauherren Zeugnis ablegen.

Tonkrüge

Für Assur sind bislang so viele Tontafelarchive und Tontafelbibliotheken belegt wie für keine andere Stadt des Vorderen Orients, was vor allem auf die Großflächigkeit und die sorgfältige Dokumentation der dort durchgeführten Feldforschungen zurückzuführen ist. Diesen bislang verifizierten 50 Schriftstücksammlungen können etwa 5000 Tontafeln und Tontafelfragmente zugewiesen werden. Der Umfang der Befunde aus den einzelnen Sammlungen reicht von kaum einer Handvoll bis hin zu derzeit gezählten 1242 Tafeln und Tafelfragmenten. In einigen Fällen erlaubt die Fundsituation Aufschlüsse nicht nur über den architektonischen Zusammenhang und die bauliche Struktur der Räumlichkeiten, in denen die Sammlungen untergebracht waren, sondern auch über Formen der Aufbewahrung von Tontafelkollektionen.

Die Schriftstücksammlungen befanden sich im Besitz staatlicher Institutionen ebenso wie privater Unternehmen und Haushalte; sie hatten oft über längere Zeiträume hinweg Bestand. Relikte solcher Kollektionen kamen etwa in den Ruinen des Assur-Heiligtums und des sog. Prinzenpalastes, der im Südosten der ‚oberen Stadt‘ lag, ans Licht. Weil aber auch die Wohn- und Handwerkerviertel Assurs weiträumig in die archäologische Erschließung einbezogen waren, konnten insbesondere auch die Überreste solcher Keilschrifttextsammlungen geborgen werden, die in Privathäusern aufbewahrt waren, so etwa im Haus einer Familie, die eine Gold- und Silberschmiede betrieb, oder im Haus eines Gerbers. Wie intensiv und in welch funktioneller Vielfalt das Medium des geschriebenen Textes gerade auch im altorientalischen Privathaushalt genutzt wurde, lässt sich an dem Befund aus Assur besonderes gut ermessen. Die Texte der privaten Schriftensammlungen dokumentieren familiäre und wirtschaftliche Angelegenheiten, berufliche Aktivitäten und Tätigkeitsfelder einzelner Haushalte der Stadt und liefern so für die Erforschung der Familienstrukturen, des Handwerks-, Handels- und Rechtswesens sowie der ‚Wissenschaften‘, ‚Künste‘ und ‚Technik‘ der altorientalischen Welt aussagekräftiges Zeugnismaterial.

Bestand eine Textsammlung überwiegend aus Schriftstücken administrativer Art, so wird sie heute oft als ‚Archiv‘ bezeichnet. ‚Bibliothek‘ wird sie genannt, wenn sie mehrheitlich literarische Texte enthielt. Allerdings ist bei dieser Kategorisierung zu beachten, dass eine entsprechend scharfe terminologische Differenzierung in den altorientalischen Kulturen fehlte und dass Schriftstücke administrativer und literarischer Art nicht selten zusammen aufbewahrt wurden. Ca. 40 als solche benennbare ‚Archive‘ und ca. 10 als solche benennbare ‚Bibliotheken‘ sind bislang für Assur nachgewiesen. Ebenso wie in den anderen Städten des Alten Orients überwog auch hier die Anzahl der administrativen Schriftstücksammlungen diejenige der literarischen. Für erstere war eine Aufbewahrung in Tonkrügen nicht unüblich, auf denen der Inhalt vermerkt war und die eigens zum Zweck der Magazinierung dieser Archivalien hergestellt worden waren.

Die bei weitem umfangreichste Textsammlung, die in Assur geborgen wurde, war im Besitz einer Familie, deren Angehörige vom späten 8. Jh. bis zur Eroberung durch die Meder im Jahr 614 v. Chr. auf dem ’aschiputu’ genannten Gebiet der Bewahrung von Heil und Wohlergehen und der Abwehr von Übel tätig waren. Viele der Heiler führten den Titel „’maschmaschu’ des Assur-Tempels“ und als solche standen sie vor allem auch dem Königshaus zu Diensten. Zu den in dieser Bibliothek des sog. Hauses des Beschwörungspriesters aufgefundenen Schriftdokumenten zählen Handbücher für ‚Heiler‘, Ritualanweisungen, Bitt- und Sühnegebete, Vorzeichensammlungen, Beschreibungen von Krankheitssymptomen, medizinische Rezepturen, Reinheitsvorschriften, Auflistungen von Opfergaben an Götter, Zusammenstellungen von Pflanzen und Steinen, denen spezifische Wirkkräfte zugeschrieben wurden, Beschreibungen von Festabläufen, topographische Beschreibungen der Stadt Assur, königliche Dekrete, mythische Erzählungen und andere narrative Texte, sumerisch-akkadische ‚Lexika‘, Rechentabellen u.v.a.m. Das Tätigkeitsfeld der Bibliotheksbesitzer erforderte offenbar das Verfügen über eine derartige Vielfalt an Wissensstoffen. Im Wesentlichen handelt es sich bei den Schriften um Exzerpte und Abschriften, die oft von den Schreibern als solche gekennzeichnet sind. Texte aus Bibliotheken, die anderen Gelehrten, Heiligtümern oder dem Herrscherhaus gehörten, lieferten die Vorlagen. Diese Bibliotheken befanden sich nicht nur in Assur selbst, sondern auch in Ninive, Kalchu und anderen assyrischen Städten sowie in den babylonischen Städten Nippur, Borsippa, Uruk und Babylon. Die Schreiber waren, soweit man sie in den Kolophonen fassen kann, die Gelehrten selbst sowie deren Schüler, die zumeist ebenfalls Familienmitglieder waren.

Die Texte dieser Privatbibliothek liefern reichhaltiges Material für Forschungen auf den Gebieten der Wissenschaften, der Religion, der Literatur, des Staatswesens und des Alltagslebens im Alten Orient. Sehr konkret geben sie überdies Auskunft darüber, wie in diesem Familienunternehmen von ‚Heilern‘ Fachwissen durch das Niederschreiben von Texten erworben und vermittelt wurde, auf welche Art und Weise es Anwendung fand und welche Potentiale ihm zugeschrieben wurden. Welche didaktischen, dokumentarischen und praktischen Funktionen Gelehrtenbibliotheken im Alten Orient zukamen, lässt sich anhand der Überreste dieser Literatursammlung eindrucksvoll aufzeigen. Ihre philologische Erschließung trägt maßgeblich dazu bei, Strukturen des altorientalischen Gelehrtenwesens greifbar zu machen und so Einblick zu geben in eine ‚Welt der Wissenschaften‘, auf der über Jahrtausende hinweg die Zukunftsfähigkeit der hochkomplexen Gemeinwesen Mesopotamiens beruhte. Der kulturgeschichtliche Wert der Keilschrifttexte aus Assur ist nicht zuletzt wegen der Textfunde aus dieser Gelehrtenbibliothek so hoch.

Heute ist die große Menge der Tontafeln, Tontafelfragmente und anderen beschrifteten Objekte aus Assur über mehrere öffentliche Museen sowie über eine unbekannte Anzahl privater Antikensammlungen verstreut. An ihre derzeitigen Aufbewahrungsorte gelangten diese Fundobjekte entweder direkt und über staatliche Institutionen auf offiziellen Wegen oder aber indirekt und inoffiziell über den Kunsthandel. Der bei weitem größte Teil des Fundmaterials, der im Zuge der deutschen und irakischen Ausgrabungskampagnen zutage kam, ist auf das Vorderasiatische Museum in Berlin, die Archäologischen Museen in Istanbul und das Iraq-Museum in Bagdad verteilt, wobei der Bestand der Berliner Sammlung der umfangreichste ist. Das Britische Museum in London, die Babylonian Collection der Yale University in New Haven, das Musée du Louvre und die École Pratique des Hautes Études in Paris besitzen kleinere Kollektionen. Unter den namentlich bekannten Privatsammlungen ist die Schøyen-Collection in Oslo als Besitzerin von Keilschrifttexten aus Assur zu nennen.

Seit dem Jahr 1911 liegen monographische Veröffentlichungen von Keilschrifttexten aus Assur vor und damit seit der Zeit, in der die Ausgrabungen in Qal’at Šerqāṭ unter der Leitung von W. Andrae im Gang waren. Die Publikationsfolge setzte sich während der 20iger Jahre fort. Sie war der Weiterentwicklung des Faches Altorientalistik in hohem Maße förderlich. Nach dem 2. Weltkrieg wurden insbesondere in den 50iger bis 70iger sowie seit den 90iger Jahren Editionen von Keilschrifttexten aus Assur in monographischer Form vorgelegt. Die überwiegende Mehrheit dieser Editionen erschien im Rahmen der von der Deutschen Orient-Gesellschaft herausgegebenen Monographienserien ‚Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft‘ (WVDOG) und ‚Studien zu den Assur-Texten‘ (StAT).

Die zu edierenden Texte waren von Anfang an überwiegend nach funktionalen und inhaltlichen Gesichtspunkten sortiert in dem Bestreben, die große Menge heterogenen Manuskript- und Inschriftenmaterials nach und nach in eine systematische Ordnung zu bringen und in entsprechenden Corpora vorzulegen. So entstand die lange Reihe von Einzelbänden und Monographienserien, darunter insbesondere die folgenden:

ARu M. David – E. Ebeling, Assyrische Rechtsurkunden (1929)
BAM F. Köcher, Die babylonisch-assyrische Medizin in Texten und Untersuchungen I–IV (= Keilschrifttexte aus Assur Bd. 1–4) 1963–1971
KADP F. Köcher, Keilschrifttexte zur Assyrisch-Babylonischen Drogen- und Pflanzenkunde, 1955
KAH Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts. Heft I von L. Messerschmidt (WVDOG 16, 1911), Heft II von O. Schroeder (WVDOG 37, 1922)
KAJ E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur juristischen Inhalts (WVDOG 50, 1927)
KAN L. Jakob-Rost – F. M. Fales; L. Jakob Rost – K. Radner – V. Donbaz; B. Faist, Neuassyrische Rechtsurkunden I–IV (= Keilschrifttexte aus Assur neuassyrischer Zeit I–IV, 1996–2011)
KAR E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts I. II (WVDOG 28, 1915–19. WVDOG 34, 1923)
KAV O. Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts (WVDOG 35, 1920)
LKA E. Ebeling, Literarische Keilschrifttexte aus Assur (1953)
MARV H. Freydank u. a., Mittelassyrische Rechtsurkunden und Verwaltungstexte I–IX (1976–2010)

Zahlreiche Veröffentlichungen in Aufsatzform kamen hinzu. Hervorzuheben sind vor allem die Editionen E. Weidners in der von ihm seit 1923 im Selbstverlag herausgegebenen Zeitschrift ‚Archiv für Orientforschung‘ (AfO).

Die Editionsform der Publikationen ist höchst uneinheitlich. Vor allem die älteren beschränken sich zumeist auf einen knappen Katalogteil, in dem die archäologischen Grunddaten und Literaturangaben zu den einzelnen Texten zusammengestellt sind, und einen Hauptteil, in dem die Schriftstücke in handschriftlichen Abzeichnungen (Autographien) präsentiert werden. Mitunter kommen photographische Abbildungen hinzu. Auch Wortregister finden sich in manchen der älteren Bände. Darüber hinaus enthalten einige Editionen Transliterationen der akkadischen und sumerischen Texte in lateinischer Umschrift, Ergänzungen, deutsche Übersetzungen und Kommentare zur sprachlichen Form und zum Inhalt sowie zusammenfassende kulturhistorische Auswertungen. Diese auf einer umfassenden philologischen Aufarbeitung der Texte beruhende Editionsform hat sich in der jüngeren Zeit weitgehend durchgesetzt.

In den Jahren 1985 und 1986 erschienen die beiden Bände von O. Pedersén, Archives and Libraries in the City of Assur. A Survey of the Material from the German Excavations. Part I (1985). Part II (1986). Sie enthalten eine auf der Auswertung der archäologischen Befunde in situ und der Tontafelfunde beruhende systematische Zusammenstellung der bislang für Assur belegten Archive und Bibliotheken, wobei der erste Band der altakkadischen, alt- und mittelassyrischen Zeit (ca. 2330–2150 v. Chr. bzw. ca. 1380–912 v. Chr.), der zweite Band der neuassyrischen Zeit (ca. 911–612 v. Chr.) gilt. Soweit es Pedersén möglich war, hat er aus dem Keilschrifttextbestand des Vorderasiatischen Museums in Berlin die dem jeweiligen Archiv bzw. der jeweiligen Bibliothek eindeutig zuweisbaren Schriftstücke aufgelistet. Über die Indices der Ausgrabungsnummern und Museumsnummern lässt sich für zahlreiche Keilschrifttexte der ursprüngliche Kontext schnell verifizieren. Dieses Handbuch zu den Archiven und Bibliotheken Assurs hat nicht zuletzt bewirkt, dass die Texte zusehends auch im Zusammenhang ihrer ursprünglichen Aufbewahrungs- und Funktionskontexte analysiert und interpretiert werden. Seit seinem Erscheinen steht die Erforschung der Keilschrifttexte aus Assur auf einer neuen Grundlage.

In jüngerer Zeit wurden drei miteinander kooperierende größere Editionsvorhaben zu den Keilschrifttexten aus Assur neu ins Leben gerufen, zu denen auch dasjenige der Forschungsstelle ‚Edition literarischer Keilschrifttexte aus Assur‘ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zählt. Während dieses noch läuft, wurden die beiden anderen bereits abgeschlossen. Hierbei handelt es sich um die folgenden:

FU Berlin, Institut für Altorientalistik; im Rahmen des ‚Assur-Projektes‘ (Laufzeit: 1. 6. 1997–31. 12. 2010) Durchführung des Editionsvorhabens ‚Alltagstexte aus neuassyrischen Archiven und Bibliotheken der Stadt Assur‘. Publikation der nichtliterarischen Texte aus Tontafeltextsammlungen aus Assur.

Georg-August-Universität Göttingen, Interdisziplinäres Centrum Orbis Orientalis et Occidentalis (CORO); Durchführung des Projektes ‚Digitale Keilschriftbibliothek Lexikalischer Listen aus Assur‘ (DKB-LLA) (Laufzeit: 2005–2007). Wissenschaftliche Aufarbeitung des aus mehreren Hundert Tontafeln bestehenden Corpus der lexikalischen Listen aus Assur.

Die Geschichte der Publikation der Keilschrifttexte aus Assur währt nunmehr einhundert Jahre. Gleichwohl bleibt die Menge des Textmaterials, das ungelesen und unveröffentlicht ist und das noch nicht nach derzeit geltenden editionsphilologischen Maßstäben ediert ist, noch überaus groß.

Zuletzt bearbeitet von: E-Mail
Letzte Änderung: 07.03.2024
zum Seitenanfang/up