Rituelle Reinheit im Islam

  • Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 619 Ritualdynamik fand vom 25. - 27. Februar im Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg ein Symposion mit dem Titel "How Purity is Made - Persistence and Dynamics of the Purity Mindframe" statt. Das Symposion wurde ausgerichtet von den SFB-Teilprojekten C9 "Rituelle Reinheit im Islam" (Leitung: Prof. Dr. Susanne Enderwitz) und B6 "Beichtrituale in chinesischen buddhistischen Höhlentempeln" (Leitung: Prof. Dr. Lothar Ledderose).

Das Teilprojekt thematisiert diejenigen Ritualkomplexe im sunnitischen, d. h. dem "orthodoxen" und mehrheitlichen Islam, die mit dem Konzept der "Reinheit" in seinen verschiedenen Dimensionen verbunden sind. Dies geschieht a) unter historischen Gesichtspunkten (Übernahme und Innovation insbesondere in der formativen Phase des Islam), b) unter systemischen Gesichtspunkten (Betrachtung der Dichotomie rein/unrein in ihren symbolischen Repräsentationen und den sozialen Raum strukturierenden Erscheinungsformen), und c) mit sozialwissenschaftlicher Fragestellung (Beziehung zwischen den Bedingungen der Diaspora und Strategien der Spannungsbewältigung durch rituelles Handeln).

Die beiden jeweils halben Forschungsstellen reflektieren zweierlei Perspektiven auf das Thema:
1) "Theorie und Praxis der rituellen Reinheit in der islamischen Tradition": Hier sollen die Grundlagen islamischer Reinigungsrituale aufgearbeitet werden, wie sie sich darstellen in der Praxis des Vorislam, im Text des Koran, in der Ritualpraxis nach Ausweis der Propheten-biographie, in den Hadith-Sammlungen, der Literatur der Juristen sowie in den Texten, die für eine Sozialgeschichte relevant sind.
2) "Rituelle Reinheit in der europäischen Diaspora": In einer stärker empirisch angelegten Studie soll die Glaubensausübung sunnitischer Muslime in der europäischen Diaspora untersucht werden, und zwar unter der Leitfrage, welche Anstrengungen von wem unter-nommen werden, um die wie definierte Korrektheit der rituellen Praxis zu sichern, und wie fundamentale Einstellungen und Wertorientierungen mit Vorstellungen über Reinheit korrelieren.

Als Ausgangspunkt für die erste Perspektive sollen zunächst die die rituelle Reinheit betreffenden Aspekte der Themenkomplexe Fasten, Opfer, Geschlechterbeziehung, Rituale nach Berührung mit Unreinem und lebenszyklische Rituale dienen. Neben der Deskription der inneren und äußeren Akte, an die die Transformation vom Zustand der Unreinheit in den der Reinheit und vice versa geknüpft ist, soll ein Beitrag zur Klärung des Zusammenhangs zwischen den Dichotomien rein/unrein, erlaubt/verboten und sündig/gottgefällig geleistet werden. Mit Blick auf die Moderne und die Wechselwirkungen zwischen Orient und Okzident wird auch zu fragen sein, welche Empfehlungen zum Leben in einer nichtislamischen Gesellschaft Muslimen gegeben werden. Dies ist einer der Anknüpfungspunkte für den zweiten Themenschwerpunkt, der die Ritualpraxis hier lebender Muslime und den Diskurse zu Themen wie Reinheit und Authentizität untersucht.

Zuletzt bearbeitet von: E-Mail
Letzte Änderung: 06.03.2024
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