Das Eleppu-Projekt - Schiffe und Schiffbau im Alten Orient
PD Dr. phil., Ing. Ariel M. Bagg (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
Dr. Grégory Chambon (École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris, Frankreich)
1. Einleitung
Die ältesten Zeugnisse im Bereich des Wassertransports im Alten Orient sind Siegelabrollungen mit Darstellungen von Schiffen sowie Schiffsmodelle aus dem 4. Jt. v. Chr. Bereits in den archaischen Texten aus Uruk, den ältesten Texten der Menschheitsgeschichte (Ende des 4. Jts. v. Chr.), ist ein Wortzeichen für „Schiff“ belegt und in den Inschriften der Könige der ersten Dynastie von Lagaš (ca. 2500–2350 v. Chr.) werden zum ersten Mal Schiffe im Zusammenhang mit dem Seehandel erwähnt. Eine Vielfalt von Wasserfahrzeugen tritt in den Keilschriftquellen auf und ist auf Rollsiegeln und Reliefs dargestellt oder sogar in Form von Modellen erhalten: Von Flossen auf aufgeblasenen Schläuchen, Korbfahrzeugen aus geschnittenem Rohr, die mit Leder bezogen waren, und Booten aus Schilfrohr bis zu unterschiedlichen Typen von Fracht- und Kriegsschiffen, die bei Fluss- oder Seefahrt bzw. in der Fischerei eingesetzt wurden.
Mehrsprachige Vokabulare (sog. Lexikalische Texte), Wirtschaftsurkunden und Briefe zeugen von einer differenzierten nautischen Terminologie, die u.a. Schiffstypen, ihre Bauteile und Ausrüstung umfasst. Der Wassertransport von schweren Bauteilen wie Steinplatten und Türschwellen aus Stein ist wie der Transport von Holzlasten schriftlich und bildlich bezeugt. Nicht nur sumerische und akkadische Quellen (2. Hälfte des 3. bis 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr.) enthalten Angaben zum Schiffbau und zur Schifffahrt. Texte aus der zweiten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. aus der Stadt Ugarit (Ras-Šamra in Syrien) berichten über den Überseehandel und zeugen außerdem von den nautischen Kenntnissen. Seefahrt stellt andere Anforderungen als der Wassertransport in den mesopotamischen Flüssen und Marschen dar, insbesondere was Bauformen, Antriebstechnik, Hafenbau und Navigationstechnik angeht. Überseehandel ist im Alten Orient seit der Mitte des 3. Jts. v. Chr., d.h. ca. 1500 Jahre vor den Phöniziern, dokumentiert. Die Informationen aus den schriftlichen Quellen werden durch das wertvolle bildliche Material ergänzt. Hinzu kommen noch die Wracks, die im östlichen Mittelmeer gefunden wurden, sowie die Bitumenreste aus der westlichen Küste des Arabischen Golf.
Das Eleppu-Projekt
Das Eleppu-Projekt (eleppu ist das akkadische Wort für „Schiff“) ist ein langfristiges Forschungsvorhaben, das von Ariel M. Bagg (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Deutschland) und Grégory Chambon (École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris, Frankreich) geleitet wird. Das Projekt entstand 2010 im Rahmen der Forschergruppe Patrimoine, Histoire des Sciences et des Techniques (PaHST) an der Université de Bretagne Occidentale (UBO) in Brest. Seit 2012 wird das Projekt als gemeinsames Forschungsvorhaben am Centre François Viète d’épistémologie et d’histoire des sciences et des techniques (Université de Bretagne Occidentale, Brest/Université de Nantes, France) durchgeführt.
Hauptziel des Projekts ist, die einschlägigen altorientalischen Quellen im Bereich des Schiffbaus und der Schifffahrt mit einem technikgeschichtlichen Ansatz zu untersuchen, was in enger Zusammenarbeit mit Schiffbauingenieuren und Schiffbauern erfolgen soll. Die schriftlichen Quellen sollen zunächst gesammelt und neu übersetzt werden, da die vorhandenen Vorarbeiten zum Teil veraltet oder unvollständig sind. Daher steht in der ersten Phase des Projekts das Erarbeiten der technischen Terminologie im Vordergrund. Digitale Rekonstruktionen sollen einerseits bei der Interpretation der Quellen helfen, andererseits als Grundlage für 3D-Animationen und für die Erstellung von Modellen dienen. Den Interessen und Forschungsgebieten der Projektleiter entsprechend ist Ariel M. Bagg für das dritte Jahrtausend in Mesopotamien zuständig, während sich Grégory Chambon mit dem zweiten Jahrtausend am Mittleren Euphrat beschäftigt.
Eine Untersuchung der altorientalischen Quellen kann wichtige Informationen hinsichtlich Schiffstypen und Schiffbau beisteuern und einen Stützpunkt für entsprechende Studien in der Frühantike darstellen. Das Eleppu Projekt ist ein interdisziplinäres Projekt, das bestrebt ist, eine wichtige Lücke in der Geschichte des Schiffbaus und der Navigation zu schließen.
Link zur Webseite des Projekts |